Blue Hour. So lautete der Titel des Konzerts am Mittwoch im Meranier-Gymnasium, zu der Iris Arnal als Leiterin der hauseigenen Bigband eingeladen hatte. Doch nicht nur diese spielte. Auch das Jugendjazzorchester (JJO) aus Nordrhein-Westfalen unter der Leitung von Stephan Schulze ließ die Aula erbeben.
Blue Hour, die Zeitspanne kurz vor Sonnenauf- oder nach Sonnenuntergang, in der die Dämmerung die Welt in ein bläuliches Licht taucht und zum Träumen verführt. Und zum Träumen sollte die Musik verführen, mal mitreißend, mal melancholisch. Doch bevor die Bühne sich in eine Zeitmaschine verwandelte, und das Publikum in die Zeit zurückversetzte, als die Bigbands in den edlen Ballsälen der 30-er zum Tanz aufspielten, war ein wenig Arbeit angesagt. Ein Workshop, bei dem sich die Bigband des Gymnasiums den ein oder anderen hilfreichen Tipp abholte, um das eigene Spiel noch weiter zu verbessern.
Gut gelaunt waren die jungen Musiker und Musikerinnen, lauschten, was Stephan Schulze ihnen mit auf den Weg gab. Gemeinsame Proben folgten, erste „Verbrüderungen“ zwischen den Franken und den Westfalen fanden statt. Und erst gut eine Stunde vor Beginn des Konzerts stand das Programm.
Das hatte es in sich. In den Reihen der Bigband des MGL, alle in weißen Shirts oder Hemden, waren einigen schwarze Shirts zu sehen, Unterstützung durch das JJO. Und die hatten sichtlich Freude, zu Beginn das Frankenlied zu spielen, was wohl eher selten bei einer Bigband zu hören ist. Begeistert klatschte das Publikum mit, einige Textsichere sangen dabei.
Doch dann wurde geswingt, gejazzt und auch ein wenig gerockt. „Mercy Mercy Mercy“, „Superstition“ von Stevie Wonder und dann, passend zu all dem Metall der Bläser, „Mr. Sandman“ von Metallica. Beeindruckende Soli, die immer wieder zu spontanem Applaus führten, wechselten mit dem klangvollen Spiel der Band.
Gänsehaut hinterließ „Colours of the wind“ aus dem Film „Pocahontas“. Amy Schwarz sang den Part der Häuptlingstochter, die in dem Film den Einwanderer John Smith damit zu überzeugen versucht, dass die Schönheit der Natur erhaltenswert ist und nicht aus finanziellen Interessen zerstört werden soll. Ein Lied, aktueller denn je, welches im Übrigen sowohl den Oscar als auch den Golden Globe als bester Filmsong gewann.
Endgültig zurück in die Zeit der Big Bands ging es mit „Puttin‘ on the Ritz“. Frei übersetzen könnte man „sich aufbrezeln“ sagen, ein Synonym für die Zeit, in der man sich in Schale warf, um in den edlen Ballsälen zu den Klängen der Bands zu tanzen. Vor der Pause wurde es dann voll auf der Bühne, als beide Bands miteinander in perfekter Harmonie die Klassiker „New York, New York“ von Frank Sinatra und „Fly with me“ spielten. Im Pausenhof gab es zur Erholung kühle Getränke, ein Angebot der SMV, von dem bei den sommerlichen Temperaturen reichlich Gebrauch gemacht wurde.
In der Zwischenzeit hatte man die Bühne für das JJO ein wenig umgestaltet. Auf ihrer Reise nach Österreich war Lichtenfels eine Zwischenstation, doch nicht nur, um eine Pause einzulegen.
Sehr schnell zeigte sich die Qualität des Spiels der jungen Menschen. Mit einer immensen Spielfreude rissen sie das Publikum förmlich von den Sitzen, vergessen waren die saunagleichen Temperaturen in der Aula. Hochklassiger Swing wie „Pretty Blue Eyes“ von Terry Gibbs oder „Sarah“ von Gabriel Pérez ließen keinen Zweifel an der Erstklassigkeit der Band aufkommen. Ein überraschendes Stück kündigte Stephan Schulze an.
Auf die Frage, ob jemand wisse, wer Lothar Brühne sei, stieß er nur auf fragende Blicke. „Es ist ein Schlager aus den 30-er Jahren, wenn wir anfangen, kennen Sie den alle“, lachte er. Die ersten Takte erklangen, eine der beiden Sängerinnen stimmte das Lied an und schnell war allen klar, was gemeint war. Bekannt aus dem Film „Der Blaufuchs“ und damals gesungen von der unvergessenen Zarah Leander hieß es „Kann denn Liebe Sünde sein?“.
Es war zu spüren und zu hören, die Chemie in der Band stimmt. Erstklassige Soli, hervorragende Stimmen der Sängerinnen und ein Zusammenspiel, das über jeden Zweifel erhaben ist. Spontaner Beifall bei den Solodarbietungen wechselte sich mit ab mit langanhaltendem Schlussapplaus nach jedem Stück.
Am Ende gab es stehende Ovationen, bevor sich Stephan Schultze und das JJO noch einmal herzlich bei Iris Arnal und der Schulleitung bedankten mit dem Verspreche, dass man wieder nach Lichtenfels käme, verabschiedeten. Beinahe jedenfalls. „Man merkt, mit wie viel Herzblut und Enthusiasmus hier gearbeitet wird. Es ist einzigartig, was hier geleistet wurde und es hat uns wahnsinnig viel Spaß gemacht, hier in Lichtenfels zu sein“, betonte Stephan Schultze.
Doch ohne Zugabe ließ man sie nicht von der Bühne. „New York State of Mind“, ein Lied von Billy Joes, bildete den Abschluss, dem noch einmal langanhaltender Applaus und stehende Ovationen folgten.
Damit endete ein Konzert, das man so in Lichtenfels noch nie gehört und gesehen hat und Hoffnungen auf eine Wiederholung macht. Vor allem auch der perfekt abgestimmte Sound, der von den Technikern im Hintergrund gesteuert wurde und der man es zu verdanken hatte, dass man jede Nuance im Klangbild hören konnte, trug zu diesem unvergesslichen Genuss bei. Und wenn es etwas an diesem absolut runden Abend zu bemängeln gibt, dann das, dass die Aula leider nicht bis auf den letzten Platz gefüllt war.
Doch diejenigen, die den Weg ins MGL gefunden hatten, waren trotz der herrschenden tropischen Temperaturen bei einem Event, das noch lange nachhallen wird.
Dieser Artikel ist am 27.06.23 im Obermain-Tagblatt erschienen und kann hier im Original eingesehen werden. Er wird hier mit freundlicher Genehmigung des OT ebenfalls bereitgestellt.