Alles eine Frage der Perspektive – Schreibworkshop des P-Seminars „Schule ohne Rassismus“ mit der Autorin Olga Grjasnowa

„Ein Name ist nichts Geringes“, wusste schon Johann Wolfgang von Goethe Ende des 18. Jahrhunderts. Mit dem Namen begann auch der Workshop „kreatives Schreiben“, den die Autorin Olga Grjasnowa am 13.12.21 mit elf mutigen SchülerInnen des P-Seminars „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ durchführte. Dabei ging es jedoch nicht nur um die Vorstellung der bekannten und preisgekrönten Autorin, die an der Wiener Universität für angewandte Kunst kreatives Schreiben lehrt, sondern ganz konkret um den Namen jedes einzelnen Seminarteilnehmers. Der erste Schreibauftrag hatte es bereits in sich. Schreibe in sieben Minuten etwas über Deinen Vornamen und erwähne alles, was Dir dazu einfällt, erfinde eine Geschichte, so die Vorgabe. Die sieben Minuten vergingen wir im Flug und brachten den Einen oder die Andere mächtig ins Schwitzen. Dass Olga Grjasnowa mit ihrer freundlichen und geduldigen Art darauf bestand, dass Jede/Jeder sein Ergebnis vorliest, trug nicht gerade zur Senkung des Stresspegels bei. Aber bereits die erste Runde zeigte das außergewöhnliche Einfühlungsvermögen der Autorin, die jeden Text auf seine Perspektive hin analysierte und dabei den SchülerInnen unbemerkt einen Crashkurs in Sachen Erzählhaltung, Figuren und Erzählperspektive gab. Dabei wurden die Vielschichtigkeit der Texte und auch feine Unterschiede in deren Gestaltung sichtbar.

Auf diese erste Aufgabe folgten weitere fünf Aufträge, die jeweils zum Ziel hatten, den Grundtext zu variieren. Die Anforderungen an die SeminarteilnehmerInnen wuchsen. So musste zunächst mehrfach die Erzählperspektive gewechselt werden. Im Anschluss daran wurde der Basistext durch weitere Figuren ergänzt. Zwischen den Arbeitsschritten erfolgte stets ein Austausch mit der Autorin, die mit großer Aufmerksamkeit und Liebe zum Detail die SchülerInnen zu einer optimalen Version ihres Geschriebenen führte. Dabei ging es jedoch nie um eine Verbesserung im Sinne der Richtigkeit, sondern lediglich darum, eigene Potenziale zu entdecken und Hemmschwellen zu überwinden. Dabei stand immer wieder die Bedeutung eines Namens im Mittelpunkt sowie die Perspektive, aus der ein literarischer Text verfasst wird. Wie wirkt ein Text ohne Namen? Warum erscheinen uns die Figuren plastischer und menschlicher, wenn wir ihnen einen Namen geben?

Nebenbei gab die Autorin Einblicke in ihre Arbeit. Mehrere Wochen und Monate schreibt sie Passagen ihrer Romane, bis sie sich sicher ist, aus welcher Perspektive sie erzählen will und kann. Die Charaktere entwickeln ein Eigenleben, dass die Autorin zum Überarbeiten oder auch Umdenken zwingen kann.

Um 14.45 Uhr gingen zwei herausfordernde, lehrreiche, unterhaltsame und in jeder Hinsicht inspirierende Stunden zu Ende. Wir danken Olga Grjasnowa ganz herzlich für den wirklich tollen Einblick in kreatives Schreiben und freuen uns, dass sie uns als eine der Patinnen für „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zur Seite steht.

Miriam Tischer
gepostet am 14. Dezember 2021